Entlang der Inforoute Platte & Co (Teil 1)
Im Sewanviertel stehen viele verschiedene Plattenbautypen der DDR dicht beieinander. Deshalb erstellte man die Inforoute Platte & Co. Hier kannst du auf Schnitzeljagd nach Platten gehen und dir auf Informationstafeln amtliches Nerdwissen aneignen! Und natürlich die Gebäude bestaunen. Eine kurze Vorstellung der Plattenbauten gebe ich dir hier. Es ist viel geworden, deswegen ist der Artikel ein Zweiteiler.
Das Sewanviertel ist eines der ersten Wohnsiedlungsprojekte der DDR. Hier wurden die direkten Vorläufer der DDR-Platte gebaut. Nach und nach dehnte sich die Siedlung aus und neue Gebäudetypen, natürlich dann in Plattenbauweise, kamen hinzu. Der Bezirk Lichtenberg hat sich dieser einzigartigen Ansammlung angenommen und daraus eine Architekturausstellung unter freiem Himmel gemacht.
Im Jahr 2015 realisierte man zusammen mit einigen Partnern aus der Bauwirtschaft die Inforoute Platte & Co. An den betreffenden Stationen stehen Informationsschilder mit Grundrissen, Fakten und Bildern von damals und heute. Natürlich bin ich selbst sehr begeistert und habe mir die Inforoute angesehen. Das Ergebnis und viele Fotos siehst du hier. Allerdings stelle ich nur die Gebäude kurz vor. Es gibt auf der Inforoute auch Informationen zu Grundrissen, zu Gesellschaftsbauten und zu den Grünanlagen.
Wie entstand das Sewanviertel?
Bevor wir uns in die Plattengaudi stürzen, hier noch ein paar geschichtliche Fakten. Zu Ostzeiten hießen Teile der Sewanstraße Hans-Loch-Straße und das Sewanviertel passend dazu Hans-Loch-Viertel. Hans Loch war DDR-Finanzminister und starb ein Jahr vor der Namensgebung der Straße.
Und das Viertel selbst? Die Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg war der Grund dafür, dass in Ost und West wie verrückt plattengebaut wurde. Man wollte das Bauen industrialisieren und auf diese Weise viel Wohnraum für wenig Geld schaffen. Eigentlich schon vor dem Krieg, aber da ist es bei einem Versuch geblieben. Jener Versuch, namentlich Splanemannsiedlung, liegt im Sewanviertel und ist Teil der Inforoute.
Nicht zum letzten Mal bei solchen Großwohnprojekten musste eine Kleingartensiedlung weichen, damit man Platz für das Wohnprojekt hatte. Die Straßen der Großwohnsiedlung wurden komplett neu angelegt. Neben der Hans-Loch-Straße gibt es unter anderem die Dolgenseestraße, die Mellenseestraße und die Balatonstraße. Alles Gewässer. 1992, nach der Wiedervereinigung, wurde die Hans-Loch-Straße umbenannt und einige ihrer Teile erklärte man zu eigenständigen Straßen. Das Thema Gewässer setzte man bei der Namensgebung fort: Der Sewansee liegt in Armenien und es gibt nun auch den Erieseering und die Huronseestraße.
Plattenbau im Osten – anders, aber nicht individuell
Der Plattenbau der DDR unterscheidet sich darin von dem in Westdeutschland, dass es hierbei vorwiegend um Gebäudeserien geht. In den alten Bundesländern stehen hinter den Siedlungen Architekten mit ihren Namen. Das beste Beispiel ist sicherlich die Gropiusstadt, von der ein großer Teil vom Reißbrett Walter Gropius‘ entstammt. Allerdings sind an dieser Siedlung sowie an anderen Siedlungen in Westberlin mehrere Architekturbüros oder Architekten beteiligt, die sich zusammengeschlossen haben. Aus diesem Grund haben die Siedlungen ein in sich abgeschlossenes, eher individuelles Design. So individuell, wie es die Plattenbauweise hergab.
Anders ist es bei der DDR-Platte. Es gibt wenige Bauten, bei denen wirklich ein Architekt mit seinem Namen dahintersteht. Vielmehr handelt es sich um Gebäudetypen, die von Architekten in Zusammenschlüssen entworfen und dann in Serie gebaut wurden. Die Gebäude einer Serie findest du deswegen im gesamten Ostberlin, manchmal sogar in der gesamten DDR, immer wieder.
Das Hans-Loch-Viertel war die erste richtige Großwohnsiedlung in Ostberlin, die nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde. Hier stelle ich nun die Gebäudetypen vor. Da es viele sind, habe ich sie auf zwei Artikel aufgeteilt.
Q3A und QX
Diese beiden Gebäudetypen sind die ältesten seriellen Gebäude auf der Inforoute Platte & Co. Q3A steht für Querwandtyp (Nr. 3) Variante A. Die Serie wurde seit 1957 gebaut und man nutzte noch Betonblöcke statt Platten. Wie es damals noch der Standard war, besaß diese Serie noch Ofenheizung. Später, als es baulich möglich war, waren die Plattenbauten beliebt, unter anderem weil es eine Zentralheizung gab.
Die gelben Loggien an diesem Haus wurden erst 2009 angebaut. Generell ist zu beachten, dass die Plattenbauten in Ostberlin längst saniert sind und vielerorts nachgerüstet und bunt gestaltet worden sind. Sie sahen im Original nicht so aus wie heute. Auf den Infotafeln von Platte & Co. sind Fotos von den Gebäuden im Originalzustand zu sehen.
Die Folgeserie QX kam schon mit Betonstreifen aus statt mit Blöcken, was schon etwas an Materialkosten einsparte. Wir nähern uns den Platten, die tatsächlich in der darauffolgenden Serie QP zum Einsatz kamen. Die Serie QX war eine kleine Serie und ist daher, außer hier, nur selten zu finden.
QP 64
Die QP-Serie wurde in der DDR 1959 eingeführt und war nun endlich richtige Platte. QP steht für Querwand-Plattenbauweise. Es war die erste Serie in der DDR, die komplett in industrieller Fertigung entstand. Die Nummer 64 bezeichnet die Gebäude, die im Haupteinsatzjahr 1964 gebaut wurden, da bildet unser Beispiel keine Ausnahme.
WHH GT 18 Berlin
Verlassen wir den chronologischen Pfad und kommen zum berühmten Wohnhochhaus. Dafür steht nämlich die Abkürzung WHH und GT heißt Großtafelbauweise. 18 steht für die Anzahl der Geschosse, 17 sind zum Wohnen gedacht, die unterste Etage steht der Gebäudetechnik zur Verfügung. Durch seine Höhe ist das Gebäude sehr auffällig und setzt Akzente im Stadtbild. Im ehemaligen Ostberlin findet man diese Wohntürme häufig, und oft zwei davon in Kombination. Das nennt sich dann WHH GT 18/21, ein Haus hat 18 Stockwerke und das andere 21. Ich liebe es, vor diesen kolossalen Hochhäusern zu stehen und gebe zu, dass sie meine Lieblingsplattenbauten sind.
Bei der ursprünglichen Bauausführung des WHH GT 18 haben nur die Wohnungen an der Mittelachse Balkone. Dieses Haus an der Inforoute hat man 2011/12 saniert und zusätzliche Balkone angebaut. Im Sewanviertel kannst du noch etliche andere WHH GTs finden, auch die Doppelten. Diese Serie ging ab 1971 vom Fließband.
WHH 17 Dresden
Dieses Punkthochhaus hat 17 Etagen und im Erdgeschoss sind Gewerbe ansässig. Wie die anderen Wohnhochhäuser ragt es über die Gebäude in der Nähe hinaus und ist weithin sichtbar. Im Unterschied zum WHH GT 18 hat es nicht nur eine Etage weniger, es hat auch viel mehr Balkone. Die Wohnungen sind 1- bis 2-Zimmerwohnungen und jede hat einen Balkon. Aber warum steht da Dresden? Ganz einfach, weil es in Dresden genau diesen Bautyp gibt, entweder als 15- oder wie hier als 17-Geschosser. Es gab verschiedene sogenannte Wohnungsbaukombinate, Zusammenschlüsse mehrerer Wohnungsbaufirmen einer Region. So wurde der Typ WHH GT 18 (und 18/21) hauptsächlich in Berlin gebaut.
Das war der erste Teil
Der zweite Teil kommt bald direkt hinterher. Du willst selber losgehen und deinen eigenen Trip entlang der Inforoute Platte & Co. planen? Dann kannst du dich auf der Website des Kompetenzzentrums Großsiedlungen e. V. weiter informieren. Es lohnt sich aber auch, einfach so ganz entspannt durch das Sewanviertel zu flanieren, denn es hat noch viel mehr zu bieten, zum Beispiel die Grünanlagen und das fröhliche Treiben an den zentraleren Orten. Viel Spaß!